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Expansion im Baustoffhandel: Zentrale Strategie versus lokale Tradition

Auftritt in nationaler Arena: ein rotes Tuch für die Lokalmatadore

Eine führende Firma des Baustoffhandels (Business-to-Business) hatte ein nationales Verkaufsnetz in Süddeutschland und in der Schweiz mittels Kauf verschiedener, regional dominanter Firmen aufgebaut. Die übernommenen, bislang eigenständigen Firmen agierten jedoch auch nach der Fusion unter ihrem Namen oder in einer Mischform, bestehend aus dem früheren, ihren Kunden geläufigen,

Namen und dem ihnen vom Hauptsitz vorgeschriebenen, neuen Erscheinungsbild.

Die bisherigen lokal ausgerichteten Strategien und Sortimente blieben unverändert. Einzelne Filialen konkurrenzierten sich sogar gegenseitig mit ruinösen Preiskämpfen. Die lokal grösste Filiale befand sich in einer Liegenschaft, die gekündigt war - ohne Option für einen neuen Standort und ohne Konzept für die Zukunft.

Die Zahlen nicht im Griff

Mehrheitlich waren über Jahre weder Unterhalt noch Investitionen getätigt worden. Ein neu eingeführtes ERP-System war ohne Datenintegrität und mit Funktionen, die nicht angewendet wurden oder konnten! Man behalf sich mit individualisierten Excel-Programmen, was dazu führte, dass Lieferantenrechnungen nicht oder doppelt bezahlt wurden. Ware wurde falsch oder zu spät geliefert, nicht oder mit Verzug fakturiert, was zu massiven Problemen mit Kunden geführt hatte.

Das Sortiment wurde laufend vergrössert, jedoch nie bereinigt und so kaufte man schliesslich bei gegen 1'000 Lieferanten ein! Das Resultat war ein Bedarf an Abschreibungen im Lager von mehreren Mio Franken. Ein fehlendes Debitorenkontrollsystem liess es zu, dass Kunden beliefert wurden, die über Monate nicht bezahlten. Debitorenabschreibungen summierten sich in ähnlicher Höhe. Ein Teil der Lieferungen wies eine negative Bruttomarge aus.

Kunden und Lieferanten steigen aus

Diese Entwicklung war Kunden und Lieferanten nicht verborgen geblieben. Kunden kauften bei der Konkurrenz oder Lieferanten verweigerten die Lieferung. Führung und Mannschaft waren demoralisiert, man arbeitete mit einem rudimentären Planungs- und Kontrollsystem; gute Leute verliessen das Unternehmen. Andere massten sich Kompetenzen an, die zu internen Konflikten führten. Die Mitarbeiter waren verunsichert.

Es bestanden unterschiedlichste Arbeitsverträge und Gehaltsregelungen, salopp gesagt etwa so viele verschiedene wie es Mitarbeiter gab. Der Ruf der Firma als Arbeitgeber wurde so schlecht, dass Personalvermittlungsbüros Mandate zurückwiesen oder Bewerbern abrieten, sich von der Firma anstellen zu lassen.

Die Krise spitzt sich zu. Cap Con übernimmt

Zum Zeitpunkt, als Cap Con zwecks Übernahme des Turnaround-Mandates mit dem Unternehmen in Verhandlung stand, betrug der Jahresumsatz einige hundert Mio Franken, mit jährlichen Verlusten in der Grössenordnung von 10 % des Umsatzes. Die Muttergesellschaft musste laufend neues Kapital und Liquidität nachschiessen.

Eine führende Unternehmungsberatungsfirma, beauftragt mit einer Analyse, kam zum Schluss, dass der POINT OF NO RETURN überschritten war. Deren Empfehlung war, eine Zerschlagung der Gruppe einzuleiten, unter Verwertung einzelner Firmenteile.

Cap Con hat daraufhin, 10 Tage nach dem ersten Gespräch, das Mandat für einen Turnaround übernommen. Mit einem ihrer Partner als Delegierter des VR, verantwortlich für die Umstrukturierung. Unterstützt von weiteren krisenerprobten Managern von Cap Con, die ihre Tätigkeit in den Büros am Firmen-Hauptsitz aufnahmen.

Eine Reihe von Massnahmen

Nach ersten Sofort-Massnahmen, die auf den Teamgeist und die Motivation der Mitarbeiter ausgerichtet waren, wurden sukzessive und in enger Zusammenarbeit mit den Inhabern, dem internen Management und den regionalen Filialleitern an der «Front» die folgenden Strategien und Massnahmen entwickelt und implementiert:

  • Neue klare Strategie und Positionierung mit einheitlichem Namen und Auftritt
  • Vereinfachte einheitliche operative und legale Strukturen
  • Einheitliche und durchlaufende Prozesse mit neuem ERP
  • Gleiches Entlöhnungssystem auf Erfolgsbasis für alle Mitarbeiter
  • Professionelle Managementstrukturen
  • Effiziente Planungs- und Kontrollinstrumente (Monatsabschlüsse jeweils am 10. des Folgemonats verfügbar; vollständig abgegrenzt)
  • Bilanz bereinigt und refinanziert
  • striktes Lager- und Debitoren-Management
  • Einheitliches Sortiment unter Reduktion der Anzahl Lieferanten (< 500)
  • Neue Liefer- und Lagerlogistik
  • Optimierung und Lösung komplexer Steuerprobleme
  • Kurzfristige Lösung für einen gefährdeten Standort
  • Erfolgreicher Re-Launch von drei Standorten
  • Re-Launch zweier Standorte zur Zeit noch in der Umsetzungsphase

Im Jahr 2008 wurde erstmals ein Unternehmensgewinn erzielt. Umsatzsteigerungen und Ertragsverbesserungen siehe Chart.

2009: Zahlen und Motivation stimmen wieder

Das Resultat des Turnarounds darf sich sehen lassen. In Stichworten:

  • Unternehmenswert 2003: -35 Mio CHF (Übernahme des Mandates durch Cap Con)
  • Unternehmenswert 2009: +45 Mio CHF (= Wertsteigerung 80 Mio in 6 Jahren)
  • Führendes, professionell agierendes Unternehmen des Baustoffhandels (mit Vollsortiment)
  • Hoher Bekanntheitsgrad unter einheitlichem Namen im Markt
  • Gutes Image in der Branche, bei Mitarbeitern und potentiellen Arbeitskräften
  • Klares Profil bei Kunden, Lieferanten, Banken und Konkurrenten als gut geführtes Unternehmen

Alle regionalen Standorte, die zur Zeit der Übernahme des Mandates durch Cap Con teils gefährdet waren, konnten beibehalten und sogar ausgebaut werden. Aus einem zusammengewürfelten Firmenkonglomerat war ein starkes Unternehmen entstanden, mit nationaler Präsenz und lokal nach wie vor starken Filialen. Die Balance zwischen zentraler Strategie und lokaler Taktik war gefunden.